Flucht aus Agadir

Eines vorweg: Auch wenn sich die Überschrift nicht danach anhört, hat sich alles in der folgenden Geschichte legal und mit rechten Dingen abgespielt Obwohl das Auftreten der Protagonisten Polizisten, Terrorist, Behörden, Botschaft, Konsul und möglicherweise Geheimdienst schon danach vermuten lies.
Aber vielleicht eins nach dem anderen. Am vergangenen Freitag sind wir mit gesetzter gelber Flagge glücklich im Hafen von Agadir eingelaufen.

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Diese Flagge zeigt an, dass wir noch nicht einklariert haben, und uns demnach noch nicht frei im Land bewegen dürfen. Vielmehr sind sofort die Behörden aufzusuchen und die Zollformalitäten abzuwickeln. Diese Prozedur endet in aller Regel damit, dass ein Beamter mit dem Satz „you can put your yellow flag down“ die Einreise bestätigt. Bei uns lief das ein wenig anders. Dummerweise hatten vier unserer Mitsegler keinen Reisepaß dabei und hofften, dass wie wohl teilweise bei Pauschalreisen nach Marokko üblch, es auch mit dem Personalausweis klappen müsste. Doch leider weit gefehlt.
Der nette hilfreiche Hafenmeister erklärte uns sofort nach dem Anlegen, dass wir nur auf dem Boot warten müssten und die Verrtreter der Behörden kämen an Bord. Nach dem schnell, fast heimlich getrunkenen, lang ersehnten Anlegerbier kamen auch dann gleich zwei nette Beamten an Bord. Sie begrüßten uns freundlich und begannen die Formalitäten abzuwickeln. Vielerlei Schiffsdokumente sowie natürlich die Reisedokumente der Personen wurden mehrfach in irgendwelche Listen eingetragen und abgeglichen. Auch die über das übliche hinausführende Nachfrage nach einem Schiffsstempel konnte souverän durch das Abstempeln meinerseits pariert werden. Dieses „eigenamtliche“ Utensiel war eigentlich erst für den Einsatz in diversen kleinen Karibikstaaten gedacht. Dabei wollte wohl der Vorgesetzte der Beiden seine Englisch-Kenntnisse verfeinern und switchte immer wieder von der französichen Amtssprache ins Angelsächsische, was uns sicher auch entgegen kam. Nach vorsichtigem Nachfragen deutete er an, dass es morgen wahrscheinlich eine “ Hafenlösung“ geben werde und die vier sich doch frei bewegen könnten.

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Der andere Polizist, der am Samstag seinen Dienst verrichtet, erlaubte dann großzügigerweise den Gang zu Dusche und Toilette aber keinesfalls weiter. Immerhin war vor der Toilette auch ein freies WLAN. Er meinte auch noch, dass am WE eh kein Vorgesetzter erreichbar wäre und es frühestens am Montag eine Solution gäbe. Nachdem unsere Mitsegler einiges im Netz recherchiert hatten, machte ich mich auf den Weg das Konsulat aufzusuchen. Obwohl die Öffnungszeiten nur unter der Woche vormittags sind, öffnete mir nach mehrmaligem Klopfen ein freundlicher marokkanischer Herr die Tür.

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Er bat mich ins sein Büro und stellte sich als Honorarkonsul vor. Interessiert hörte er sich unsere Geschichte an und begann auch gleich unzählige Telefonate zu führen. Einige auf deutsch (mit Botschaftsangehörigen), einige auf französisch und einige auf arabisch. Eines davon führte er mit dem Polizeichef von Agadir, welcher ihn mit den Worten begrüßte „hallo, Du rufst wohl wegen den vier Deutschen an“. Man sieht, die marokkanische Kanäle funktionieren und unser Fall war wohl bis in die höchsten Stellen in der Hauptstadt Rabbat schon bekannt. Trotz der Bemühungen stellte sich aber keine Verbesserung unserer Lage ein. Es war wohl in den letzten Tagen ein mutmaßlicher Terrorist aufgeflogen, welcher schon reichlich Zutaten zum Bombenbau bei sich gehortet hatte. Es wäre sogar vor einigen Tagen ein 14-jähriger Deutscher, welcher auch keinen Reisepaß hatte, zur Ausreise gezwungen worden, obwohl seine Eltern mit ihren Reisepässen dabei waren. Somit zerschlug sich auch die Hoffnung auf eine Aufweichung unserer „Festsetzung“. Der Konsol chauffierte mich anschließend zur Marina und wir hatten alle zusammen noch eine mehrstündige Plauderei an Bord (übrigens bin ich das erste mal in einem Auto mit CC-Aufkleber mitgefahren).  Leider halfen auch seine Bemühhungen vorort nicht weiter, obwohl der Konsul wohl alle wichtigen Personen in Agadir und Rabat kennt. Immerhin hat er sich äußerst nett und umfangreich um uns gekümmert, worum wir ihm sehr dankbar sind. So waren unsere vier Mitsegler für die ganze Zeit sozusagen auf dem Schiff „eingesperrt“. Obwohl die vier ihr Schicksal doch recht gelassen hinnahmen, führte der leichte „Hospitalismus“ doch zur ein oder anderen komischen Verhaltensweise. So wurde mit allen möglichen Gefäßen jeglicher Tropfen Regenwasser gesammelt und das Schiff auf Hochglanz gebracht. Der teilweise heftige Regen zeigte uns auch bisher unbekannte Durchdringungsnischen im Schiff, welche sogleich mit Sicaflex „behandelt“ wurden.

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Ob es nun eine zusätzliche Vorsichtsmaßnahme der Crew ist oder Zufall ist ungewiss. Trotzdem trugen die vier bei ihrem Toiletten Landgang auch gelbe Kopfbedeckung um gesetzeskonform ein noch nicht vollendetes Einklarieren anzuzeigen.

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Nach 4 Tagen versprach uns der Wetterbericht leichtere günstigere Winde und nur noch hohe Wellen.

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So sind wir dann am Dienstag (im Moment ist Mittwoch und ich weis noch nicht, wann ich den Bericht absetzen kann) glücklich losgefahren. Der diensthabende Polizist verabschiedete sich sogar noch mit einem „Sorry, for the situation“, was sicher auch ehrlich gemeint war, aber natürlich nicht viel geholfen hat. Nun sind wir gerade leider wieder dieselnd bei bis zu 3 Meter hohen langen Wellen auf dem Weg nach Lanzarote.

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Die Stimmung ist ganz gut, denn wie es auch Casi vor einigen Tagen richtig auf dern Punkt gebracht hat: „es ist gut, wenn wir hier wegkommen“.